Die Norm EN 1992-4, welche Teil des Eurocode 2 ist, regelt die Bemessung der Verankerung von Befestigungen im Beton. In diesem Kontext ist die Unterscheidung zwischen gerissenem Beton und ungerissenem Beton wesentlich für die Auswahl und die Bemessung von Verankerungen.
Was ist gerissener Beton?
Als gerissener Beton wird Beton bezeichnet, in welchem unter der Gebrauchslast Risse auftreten können. Dies ist häufig bei Bauteilen der Fall, die Biege-, Zug- oder Torsionsbeanspruchungen ausgesetzt sind und bei denen es aufgrund innerer Spannungen zu Rissen kommen kann.
Bemessungsanforderungen für Dübel in gerissenem Beton
- Nutzungsbedingungen: Es wird davon ausgegangen, dass Risse in allen möglichen Richtungen vorhanden sein können. Dies kann auf äußere Belastungen, Betonschwund oder thermische Veränderungen zurückzuführen sein. Verankerungen für gerissenen Beton sind so konzipiert, dass sie auch bei Rissen im umgebenden Material sicher funktionieren.
- Anforderungen an die Bemessung: Damit Verankerungen in gerissenem Beton auch bei Rissen ihre Tragfähigkeit und ihr stabiles Verhalten beibehalten, müssen sie strengere Anforderungen erfüllen.
Was ist ungerissener Beton?
Als ungerissener Beton gilt Beton, bei dem unter normalen Betriebsbedingungen keine Rissbildung zu erwarten ist. Dies kann bei Bauelementen auftreten, die hauptsächlich Druck ausgesetzt sind und bei denen die Möglichkeit der Rissbildung minimal ist.
Anforderungen an die Bemessung von Dübeln in ungerissenem Beton
- Einsatzbedingungen: Diese Betonart wird in der Regel vorwiegend für Druckbelastungen eingesetzt, bei denen die Eigenspannungen die Zugfestigkeit des Betons nicht überschreiten.
- Bemessungsvoraussetzungen: Verankerungen für ungerissenen Beton werden unter der Voraussetzung bemessen und konstruiert, dass der den Anker umgebende Beton keine Risse aufweist. Daher sind die Bemessungskriterien im Vergleich zu gerissenem Beton weniger anspruchsvoll.
Auswirkungen auf die Bemessung der Verankerung
Tragfähigkeit
Verankerungen in gerissenem Beton haben im Allgemeinen eine geringere Tragfähigkeit oder erfordern größere Sicherheitsabstände im Vergleich zu Verankerungen in ungerissenem Beton.
Art der Verankerungen
Einige Anker sind speziell für gerissenen Beton konzipiert und bieten Eigenschaften wie eine höhere Zugfestigkeit bei Rissen. Demgegenüber können in ungerissenem Beton auch andere Anker verwendet werden, wenn keine Risse zu erwarten sind.
Zu diesem Zweck gibt es im Europäischen Bewertungsdokument ein System zur Bewertung der Leistung von Ankern mit 12 Optionen zu deren Bestimmung.
Die ersten 6 Optionen (von 1 bis 6) gelten für die Leistungen bei gerissenem und ungerissenem Beton, während die letzten 6 (von 7 bis 12) nur bei gerissenem Beton gelten. Innerhalb jeder Gruppe bestimmen die einzelnen Optionen die Leistungen unter verschiedenen Umständen. Am weitesten verbreitet sind dabei die Optionen 1 und 7, da sie mehr Informationen über das Verhalten des Ankers unter verschiedenen Umständen liefern (siehe Tabelle unten).
Option | Gerissen | Ungerissen | Einmalige Festigkeit für beliebige Betonfestigkeit | Spezifische Festigkeit für beliebige Betonfestigkeit | Einmalige Festigkeit in alle Richtungen | Differenzierte Festigkeit bei Zug- und Querkraft | Reduzierungswerte für Abstände zwischen Ankern und Betonkante | Bemessungsmethode in Übereinstimmung mit EN 1992-4 |
1 | ✓ | ✓ | X | ✓ | X | ✓ | ✓ | A |
2 | ✓ | X | ||||||
3 | X | ✓ | ✓ | X | B | |||
4 | ✓ | X | ||||||
5 | X | ✓ | X | C | ||||
6 | ✓ | X | ||||||
7 | X | ✓ | X | ✓ | X | ✓ | ✓ | A |
8 | ✓ | X | ||||||
9 | X | ✓ | ✓ | X | B | |||
10 | ✓ | X | ||||||
11 | X | ✓ | X | C | ||||
12 | ✓ | X |
Schauen wir uns das folgende Beispiel an:
Normalerweise unterliegt eine Seite des Betons Druckkräften, während die andere Seite Zugkräften (Spannung) unterliegt. Dies kann je nach Anordnung des Tragwerks des Gebäudes variieren und muss unter der Verantwortung eines Ingenieurs überprüft werden, der sich mit Verankerungen und Betonarbeiten auskennt.
- Theoretisches Beispiel:
- Echtes Beispiel: